Die Grüne Kiste auf Reisen

Wir wanderten mit einer roten Kiste


„Ich bin Hasina Samoelinanja, Reiseleiter in Madagaskar. Diese grüne Kiste hat für mich eine besondere Bedeutung. Sie reist mit mir über die große Insel Madagaskar und wir ergänzen uns gut bei der Erreichung unserer Ziele, indem wir die Menschen auf eine fröhliche Weise miteinander verbinden, Freude bereiten und Vertrauen bilden. Aus Gästen werden Freunde! Ich habe die erste Kiste auf dem großen Freitagsmarkt in Fianarantsoa gekauft. Sie war damals noch rot. In die Kiste haben meine Gäste und ich viele nützliche, aber auch lustige Geschenke für eine Betsileo-Familie gepackt, die wir besuchen wollten. Nach einem Fußmarsch von ca. 4 Stunden durch Berge, Dörfer und Reisfelder kamen wir mit der Kiste in Vatosola an.

Beim Auspacken der „mysteriösen“ Kiste gab es bei meinem Publikum viel Aufregung und viel Freude. Ich war der Zauberer mit einer „Wunderkiste“. Meine Gäste konnten sich mit den Einheimischen so eng austauschen. Ca. 35 Personen haben in einem kleinen Raum (ca 16 qm) auf gleicher Augenhöhe geplaudert und gelacht. Die Kiste war die Brücke. Am Ende der Show haben wir die Kiste der Familie natürlich als Souvenir geschenkt … Es fiel mir etwas schwer, die rote Blechkiste abzugeben, aber ich wusste, diese Familie kommt schwerer an eine solche Kiste als ich.




Wenn Rot zu Grün wird!


Am nächsten Tag kaufte ich meine eigene Kiste: in Grün! Die neue Kiste werde ich nicht mehr abgeben. Ihre Inhalte sollen aber im ganzen Lande bei den einfachsten Madagassen Freude verbreiten. Von den Gästen habe ich alles Mögliche gesammelt, was sie aus ihrer Heimat zum Verteilen mitgenommen haben. Schnell ist die GrüneKiste voll mit Kugelschreibern, Kuscheltieren, T-Shirts, Feuerzeugen, Haarbändern, Gummibärchen, Taschen-/Solarlampen, Kerzen, Süßigkeiten usw. Diese Geschenke sind unser Dank an die Leute, die uns etwas Gutes tun. Die Wunderkiste beruhigt auch die Kinderschar, die dem Touristenbus oft sehr nahekommt. Aber „von nix kommt nix“. Diese Geschenke werden nicht einfach nur verteilt. Es bekommen nur diejenigen etwas, die gesungen oder getanzt haben oder die Fragen des Reiseleiters beantworten konnten. Mit dem Singen und Tanzen verwandelt sich die neugierige Haltung der Kinder in eine sehr fröhliche Stimmung. Die kleinen Rätsel des Reiseleiters sollen eine Motivation für die Schule sein und die Bettelei verhindern. Erst danach geht die Kiste auf. Die Touristen hingegen erleben immer wieder eine sehr schöne Zeit und nutzen die Gelegenheit, ihre Erinnerung in Fotos zu dokumentieren.




Ein Lächeln zurückgeben


Ich habe in der Kiste die Fotos bewahrt, die ich verteilen werde. Das sind Fotos von Menschen, die in der letzten Saison geknipst worden sind. Die Touristen (Vazaha) sollen auch etwas zurückgeben. Ich bitte sie, mir ihre Fotos zuzuschicken, und ich verteile sie weiter. Anstatt Trinkgeld zu geben, verspreche ich den Bauern, ihre Fotos in der Zukunft zurückzubringen. Das bringt ihnen viel mehr als ein paar hundert Ariary. Wann wird sonst der Bauer in seinem Alltagsleben fotografiert? Die Ankunft der Bilder ein Jahr später ist eine große Freude für den Fotografierten, der oft das Gleiche anzieht wie auf dem Foto. Seit fast fünf Jahren geht die Kette weiter ununterbrochen. Dadurch lernen meine einfachen Landsleute auch wieder Vertrauen zu gewinnen. Ein Jahr später habe ich – im Gegensatz zu den Demagogen in der Propagandazeit – mein Versprechen gehalten und verlange dafür nichts. Ich möchte meinen Leuten zeigen, dass nicht alle Madagassen, die mit den Vazaha eng zusammenarbeiten, ihre Landsleute ausbeuten. Unter Madagassen können wir uns vertrauen, auch wenn bestimmte Klüfte uns trennen würden.




Mit Freude ans Ziel!


Meine Kiste und ich bereiten Freude. Die Farbe Grün steht für Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und Hoffnung. Das zerbrechliche Blech symbolisiert den Tourismus in Madagaskar. Mein Arbeitsfeld ist ein sehr empfindlicher Bereich, was wir besonders 2020 zu spüren bekamen.

Wir reisen viel mit Vazaha durch das Land: Die Kiste wurde aus vielen anderen ausgewählt und reist jetzt viel mehr als die anderen. Die Leute vertrauen ihr. Diese grüne Blechkiste ist sehr wahrscheinlich die einzige in dieser einfachen Bauweise, die so oft ins Flugzeug steigt, so wie ich selbst. Ich stamme auch aus einer einfachen Familie aus dem unteren Viertel von Antananarivo. Durch Lernen und hartes Kämpfen konnte ich aber beweisen, dass es für Menschen wie uns doch noch Hoffnung geben kann. Dieser Austausch zwischen den „Welten“ gelingt am besten, wenn alles in einer fröhlichen Stimmung auf beiden Seiten abläuft. Mit der grünen Kiste haben wir viel Spaß!




Viele „neue grüne Kisten“


Aus Spaß wird ernst! Die GrüneKiste ist inzwischen ein größeres Projekt geworden. Es ist der gemeinnützige Verein Freunde von Madagaskars GrüneKiste e. V. gegründet worden. Viele neue Freunde haben uns ihre Hände gereicht. Gemeinsam mit diesen Partnern begleiten und unterstützt der Verein junge Madagassinnen und Madagassen auf ihrem Weg in eine selbstbestimmte Zukunft. Wir organisieren Studienreisen, wir beraten sie und bieten ihnen ein Mentoring Programm, wir finanzieren Sprachkurse, Bücher und andere Lernmaterialen, die in Madagaskar sehr schwer zu erhalten sind.

Wir unterstützen sie dabei, ihre tiefen Wurzeln im eigenen Land zu finden, damit sie in der Lage sind, Stämme, Äste und Blätter Ihres Lebens zu entfalten, um mit ihrer Umgebung in Madagaskar in Einklang zu leben, aber auch offen zu sein für neue Erfahrungen und Eindrücke von außerhalb Madagaskars.




„Ein hoher Baum hat tiefe Wurzeln – ny hazo avo lalim-paka“
„Ny hazo tokana tsy mba ala – Ein einzelner Baum macht keinen Wald“